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"Frau Schwarzer, Sie spuken mir ins Gesicht"

Leserbrief an Alice Schwarzer EMMA
Per E-Mail, 30. September 2012 von Malka H, 30. September 2012
Rueckmeldung zur neuen Ausgabe, viel viel Lob und scharfe Kritik an der Einleitung

Hallo liebe Redakteurinnen,

seit vier Stunden bin ich endlich im Besitz der neuen Ausgabe auf die ich mich riesig gefreut habe. Bis ich die ersten zwei Seiten aufschlug und las...... meine Reise habe ich extra in Mainz unterbrochen und sitze in einem Internetcafe im Bahnhof und muss meine Wut und meinen Aerger loswerden.... Ein offener Brief:

Frau Schwarzer, Sie spuken mir ins Gesicht!

Mir und allen anderen Angehoerigen religioeser Minderheiten, die in Deutschland leben, selbst gegen diese Fundis ankaempfen, links und fortschrittlich sind, aber eben religioes.
Wahrlich ihr Artikel ist so ausgewogen, so differenziert in den Darstellungen, ihre Begrifflichkeiten so gepraegt von den seit Jahren stattfindenden Debatten interreligioeser Kongresse und Tagungen....
Die Rechten werden Ihnen applaudieren.......Der Artikel reiht sich ein in all die Verleumdungen und die Hetze gegen Andersglaeubige in diesem Land. Einseitig, polarisierend, Horrorszenarien betonend. Was fehlt? Die Wahrnehmung und Stimme derer, die nicht in diese Klischees passen, die Sie so unreflektiert weitertragen.

Ihrer Ansicht folgend gibt es

1."Glaeubige zu Unglaeubige" nicht Religioese zu Saekularen Stroemungen

2. Nur 16% religioese Frauen, Muslima, die eine Kopfbedeckung tragen und das sind natuerlich nur die "streng Glaeubigen"... fast schon Salafisten? Als gaebe es nicht die Frauen, die als politisches Signal gegen Assimilierungsforderungen ein Zeichen der kulturellen Identitaet setzen. Nein, das gibt es doch nicht, oder? Von den Juedinnen ganz zu schweigen... all das fehlt.

3. Die politische Dimension des Kopftuches. Sie rennen auch bei den religioesen emanzipierten Frauen offene Tueren ein, wenn Sie sich gegen die zwangsweise Verschleierung wenden. Doch Sie spucken Ihnen ins Gesicht, wenn Sie die Kopfbedeckung pauschalisieren und mit dem Hijab gleichsetzen.

An der Stelle sei mir nun der Hinweis erlaubt, dass ich beim Blick auf meine christlich gepraegten Mitfrauen in Deutschland zwar keinen Hijab aus Stoff erlebe, aber einen viel tiefer in die Seele geritzten Hijab aus Angst, preussischen Devotismus und weiblich internalisierten Selbstaufgabe erlebe. Der Marienkult laesst gruessen... Bascha Mika mit ihren Buch "Die Feigheit der Frauen" ist Ihnen bestimmt bekannt?

Wie nett von Ihnen, dass die Kopfbedeckung zumindest nicht verboten werden sollte.... Darueber koenne "man" ( ganz Heidegger ?) hoechstens reden.

Ja Frau Schwarzer und die Debatten wurden gefuehrt. Doch wo spiegelt sich ihre Wahrnehmung dieser Debatte?

Wo nehmen Sie denn wahr, was hier laeuft? Wo? In Heidelberg wurden Sie schon auf diesen Missstand hingewiesen dieses Jahr. Sie erfuhren auch, dass es in Koeln einen bundesweiten Kongress von religioesen Frauen, Christinnen, Juedinnen und Muslima (die eine professionelle Ausbildung fuer Aemter haben) gab. Vor ihrer Nase!!! Imaminnen, Rabinerinnen usw. all das gibt es. Als Zeichen der Emanzipation und als Ausdruck der Verstaendigung.
Diese Frauen tragen oft eine Kopfbedeckung als Zeichen ihrer Identitaet... Sie wissen davon. Doch in Emma? Kein Wort ueber diese politische Arbeit, kein Wort ueber diese Frauen. Kein Wort ueber interreligioese Initiativen, wie das Bendorfer Forum, die URI, die JCM Kongresse in Wuppertal.
Nein, rechte Soße in einer linken Frauenzeitschrift. das lese ich!!

4. Danke fuer ihre Integrationstipps. Wirklich klasse! Sie als säkulare Frau eines christlich gepraegten Landes entwerfen an ihren Beispiel ein Vorbild zur Integrationsfrage. Wo waren Sie? in einem saekularen christlich gepraegten Land um die Ecke.
Massel tow Frau Schwarzer. Wir, die Minderheiten, sollten uns nun an Ihnen ein Beispiel nehmen? Wie nett, dass Sie nicht die voellige Assimilation fordern. Vielen Dank. Sie setzen der Assimilation gegenueber: "Man?" muesse sich selbstverstaendlich anpassen, "Man" muesse sein Eigenes ja keineswegs verleugnen. Danke fuer diese Ausfuehrungen. Wieviel darf es denn gnaedigerweise nun sein? Was heisst das Ganze? Wahrlich, da sind die gefuehrten Debatten aber schon viel weiter.... Sie haben sie wohl alle uebersehen?

Nun, dann empfehle ich Ihnen, wie schon die Mitstreiterin in Heidelberg, mal einen Blick in die Webseiten der betreffenden Organisationen, insbesondere Frauenverbaende.
Sarah Hagar Frauen Frankfurt/Hessen mit ihrem Leitfaden fuer die Sozialpolitik der 2006 beim Ministerium vorgelegt wurde. Der bundesweite Kongress der Frauen im Oktober von Ihnen gemeinsam mit linken Frauen..... die moderne Orthodoxie im Judentum....

So Frau Schwarzer. Vielleicht lesen Sie diese Zeilen sogar, nach all der jahrelangen Ignoranz. Wie Sie sehen koennen, hat Karl Marx Unrecht: Als Religioese bin ich weder dumm, noch unpolitisch. Er irrt.
(Und ich habe doch tatsaechlich als Paedagogin bis zum Kopftuchurteil mit Kopfbedeckung unterrichtet.... ts ts ts. Ich war eine der drei Lehrerinnen in ganz Deutschland, die betroffen waren. Davor hat das keinen in meiner Schule gestoert...) Das werden Sie jetzt kaum glauben, aber ich bin seit 20 Jahren politisch aktiv in Deutschland und aktive Gewerkschaftlerin und Personalraetin.... Es leben die Klischees... Seufz.

Auf ihre Reaktion bin ich gespannt

Malka H.




Deutsche Muslim-Liga Bonn e.V. - 1424 / 2003