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Islam in Deutschland

Neuanfaenge muslimischen Gemeindelebens in Berlin nach dem Krieg


Ein Vortrag von Mohammad Aman Hobohm
Aus der Vortragsreihe der Islamischen Hochschulvereinigung an der Universitaet Koeln im WS99/00.

Kurz-Vita

MOHAMMAD AMAN HERBERT HOBOHM, geb. 22.10.1926 in Hoetensleben, Rg. Bz. Magdeburg. 1939 Übertritt zum Islam.
Nach Kriegsdienst (Marine) und Kriegsgefangenschaft Islamstudien in London. Vom 1949 bis 1953 Imam (Leiter) der Berliner Moschee und Vorsitzender der Deutsch - Moslemischen Gemeinde.
1950 -1954 Herausgeber der Zeitschrift "Orient Post".
1954 -1956 Fortsetzung der Islamstudien in Pakistan, Ko-Redakteur der Zeitschrift "Voice of Islam", Karachi, dann Eintritt in den deutschen Auswaertigen Dienst.
Taetigkeit als Kultur- und zeitweilig Wirtschafts - Attache an den Deutschen Botschaften in Karachi, Rawalpindi (Islamabad), Mogadishu, Colombo, London und Riad, sowie Leiter der Zweigstelle des Goethe-Instituts in Bandung. Von 1954 bis 1965 Vizepraesident der "International Assembly of Muslim Youth" und Deutschlandberater des Islamischen Weltkongresses. Teilnahme an zahlreichen internationalen islamischen Konferenzen in Pakistan, Indonesien, England, Sri Lanka, Frankreich, Japan, Schweden, Singapur, Jordanien, Aegypten und Saudi-Arabien.
Veroeffentlichungen (Artikel, Essays, Berichte und Buchbesprechungen) zu islamischen Themen in Zeitschriften islamischer Institutionen und Gesellschaften im In- und Ausland, sowie in auslaendischen Tageszeitungen, Radio- und Fernseh - Interviews im In- und Ausland.
Stellvertretender Vorsitzender des "Zentralrats der Muslime in Deutschland", Koeln.
Ehrenmitglied der Deutschen Muslim - Liga e.V. , Hamburg. Ehrenmitglied der Deutschen Sektion des Islamischen Weltkongresses, Berlin. Inhaber des Bundesverdienstkreuzes und des pakistanischen Verdienstordens. Seit August 1995 Geschaeftsfuehrer der Koenig Fahad Akademie gemeinnuetzige Schultraeger GmbH, Bonn.

Bismi-llahi-r-Rahmani-r-Rahim

Aus der Erinnerung

Neuanfaenge muslimischen Gemeindelebens in Berlin nach dem Krieg

Als ich die Berliner Moschee zum letzten Mal so sah, wie wir sie von Postkarten kennen: ein im Stil indischer Moscheen der Mogulzeit errichteter viereckiger, von einer Kuppel gekroenter und von zwei schlanken Minaretten flankierter, mit Zinnen und Steinlaternen geschmueckter Bau, da ahnte ich nicht, dass ich sie so nie wiedersehen wuerde. Und wenn mir damals jemand gesagt haette, dass ich in dieser Moschee, die dann aber nicht dieselbe war, nur sieben Jahre spaeter das Amt eines Imam ausueben wuerde, dann haette ich wohl eine solche Prognose als voellig utopisch von mir gewiesen.

Es war, wenn ich mich recht erinnere, anlaesslich des Festgottesdientses am "Id-ul Fitr, dem Fest des Fastenbrechens, im Jahre 1361/1942. Vielleicht war es das denkwuerdigste Fastgebet, dass je in dieser Moschee stattgefunden hat: Über 500 Muslime aus vielen verschiedenen Laendern hatten sich zur Feier versammelt. Prominentester Besucher aber war Hajd Amin al-Husseini, der als Grossmufti von Jerusalem in die Geschichte eingegangene Fuehrer der Palaestinenser, zu dessen Begruessung nach militaerischem Protokoll eine muslimische Ehrenkompanie der Wehrmacht aufmarschiert war.

Und als ich die Moschee dann wiedersah, im Fruehjahr 1948, aus Anlass einer Gedaechtnisfeier fuer den am 30.01.1948 ermordeten indischen Freiheitskaempfer Mahatma Gandhi, da war sie schwer gezeichnet von den Wunden, die ihr der Krieg geschlagen hatte. Beide Minarette waren zur Haelfte zerstoert. Die Aussenwaende waren besaet mit Einschussloechern und gezeichnet von Splittern von Granaten und Bomben. Nur die Kuppel, die einen Artillerievolltreffer erhalten hatte, war bereits wieder neu erstanden, jetzt gekroent von einem von der bekannten Berliner Mosaikwerkstatt Puhl & Wagner gestifteten, und von dem deutschen Muslim Mustafa Konieczny entworfenen, in Goldmosaik ausgefuehrten Halbmond - ein Prachtstueck, das auch heute noch bewundert werden kann.

Wenn es doch nur die Moschee gewesen waere, die unter der Gewalt des Krieges zu leiden hatte! Viel schlimmer sind die Verluste an Laib und Leben, die die muslimischen Gemeinden in Berlin und anderswo in Deutschland im Krieg erlitten haben, denn sie waren im Unterschied zu den Schaeden an der Moschee irreparabel.

Eine kleine Gruppe von 9 jungen deutschen Muslimen mag fuer die Opfer, die deutsche Muslime im Krieg fuer ihre Heimat, fuer Deutschland, gebracht haben, als Beispiel dienen:
1. Hassan Kossow, Feldpostennummer 00942
2. Scherif Neubauer,Feldpostnummer 22580 A
3. Abdu1 Qadir Mohr,Hamburg
4. Soldat K.Mueller,Stralsund
5. Mohamed Achmed Mosler, Feldpostnummer L 506005
6. Obergefreiter: H. M. Richter, Felpostnummer 30735 E
7. Oberbefreiter Achmed Said Nowak, Feldpostnummer 04008
8. Gefreitar Amin Wolf, Feldpostnummer L 13299
9. Seekadett M.A.H. Hobohm ,5/l.S.St.A1

so heisst es in einem Brief von Mohammed Achmed Mosler an die anderen 8 Brueder, "sind besonders aktive Muslime und der Deutsch-Muslim Abdul Qadir Mohr gab uns folgenden Vorschlag: Wir jungen aktiven Muslime wollen uns zu einer Arbeits- und Kampfgemeinschaft fuer den Islam in Deutschland und im Orient zusammenschliessen und uns geloben, zu leben und zu sterben fuer diese Religion, unser ganzes Leben zusammenhaltend als Brueder in einer Tarika Mohamedija ...... Nun schreibe uns bitte, ob Du bereit bist, Dein ganzes Leben mitzuarbeiten am Islam."

Die "Tariqa" wurde im Spaetherbst 1942 gegruendet. Am 16.01.1943 kam die erste Hiobsbotschaft. Bruder Herbert Muhammad Richter schickte mir die traurige Nachricht, dass "unser lieber Bruder Achmed Said Noack im Osten gefallen ist. Segen und Frieden auf ihn, er ging uns kaempfend voraus. Moege er uns ein Vorbild sein.... Last uns hoffen, dass das Voelkermorden bald ein Ende nimmt und wir an unsere eigentliche Arbeit "Kampf fuer den Islam" herangehen koennen."

Nur wenige Monate spaeter lebte auch er nicht mehr - gefallen vor dem Feind! Und am 14.06.1944 kam dann die lakonische, wegen ihrer Kuerze und Nuechternheit besonders erschuetternde Mitteilung von Bruder Amin Wolff: " Die Tariqa besteht nur noch aus Dir Hassan (Kossow) und mir --- aus."

Doch auch er und Hassan sollten den Krieg nicht ueberleben. Am Ende blieb nur ich uebrig. Erst Jahre spaeter kehrte auch Achmed Mosler nach einer abenteuerlichen Odyssee auf dem Balkan und jahrelanger Gefangenschaft in den beruechtigten sowjetischen Konzentrationslagern Sachsenhausen und Bautzen endgueltig nach Haus zurueck.

So wie um unsere kleine Bruderschaft, die "Tariqa", war es auch um die muslimischen Gemeinden und ihren Institutionen im zerborstenen "Reich" bestellt. Die meisten auslaendischen Brueder und Schwestern, die Diplomaten, Journalisten, Studenten und die politischen Fuehrer und Fluechtlinge aus muslimischen Laendern hatten, soweit sie dazu in der Lage waren, Deutschland vor dem Zusammenbruch verlassen. Nur wenige waren geblieben. Andere, wie Bruder Achmed Mosler und mehrere arabische und indische Mitarbeiter des Reichspropagandaministeriums wurden von den Siegermaechten inhaftiert oder verschleppt. In besonders trauriger Erinnerung habe ich das Schicksal der jungen Sonja Hajdewa. Ihr Vater, ein Tartar, war im ersten Weltkrieg in deutsche Gefangenschaft geraten, war nach Kriegsende in Deutschland geblieben, wie viele seiner Landsleute, hatte eine Deutsche geheiratet und sich in Berlin niedergelassen, wo er einen kleinen Kohlen- und Kartoffelhandel betrieb. Er verstarb kurz vor oder gleich nach Ende des zweiten Weltkriegs und hinterliess seine Witwe Fatima und Tochter Sonja. Als die Russen Berlin besetzten, verhafteten sie Sonja vor den Augen ihrer Mutter, um sie zwangsweise "zu repatriieren" - sie, die in Deutschland geboren und aufgewachsen war und die "grosse sowjetische Heimat" nicht einmal von Hoerensagen kannte, denn auch ihr Vater hatte ihr nicht davon erzaehlen koennen. Er hatte die Heimat vor der Revolution verlassen muessen, und als Soldat fuer den Zaren ins Feld zu ziehen. Alle Bemuehungen bei sowjetischen Dienststellen, bis hinauf zu Marschall Zhukow, dem Oberbefehlshaber der sowjetischen Truppen in Deutschland, naeheres ueber den Aufenthalt von Sonja zu erfahren, verliefen erfolglos.

In Mai 1945 lagen wie das ganze Land, das "Reich", und die Stadt Berlin auch die Berliner Moschee, ihre Gemeinde und die anderen moslemischen Institutionen und Organisationen, die bis Kriegsende in Berlin, bestanden hatten, in Truemmern. Man erzaehlte mir, als ich im Juni 1949 nach einem laengeren Studienaufenthalt in London nach Berlin kam, um die Verwaltung der Moschee zu uebernehmen, dass deutsche Truppen in der Endphase des Kampfes um Berlin in einem der Minarette der Moschee einen Artillerie- Feuerleitstand oder Beobachtungsstand eingerichtet haetten. Dadurch sei die Moschee unter direkten sowjetischen Beschuss genommen worden. Im Garten der Moschee haben man 12 gefallene deutsche Soldaten gefunden, die dort zunaechst auch in einem Massengrab beerdigt worden seien. Sofort nach Einstellung der Kampfhandlungen habe sich Schwester Amina Mosler, die Mutter von Mohammed Achmed Mosler und deshalb von uns allen "Umm Achmed" genannt wurde, um die Moschee gekuemmert und die ersten Aufraeumungsarbeiten eingeleitet. Sie hatte noch rechtzeitig vor Beginn des Kampfes um Berlin die wertvollen Teppiche aus der Moschee, sowie andere Wertsachen aus dem neben der Moschee gelegenen Wohnhaus des Imam in Sicherheit bringen koennen und bis zur Wiedereroeffnung der Moschee im Fruehling 1943 verwahrt.

Amina Mosler hat sich - und das sei hier ausdruecklich vermerkt - in den letzten Kriegsmonaten und in den ersten Jahren nach Kriegsende mehr als irgendjemand anders um die Moschee und um die Neubegruendung eines muslimischen Gemeindelebens mit der Moschee im Mittelpunkt verdient gemacht. Sie huetete die Moschee wie ihren Augapfel. Sie ueberwachte die ersten Wiederaufbauarbeiten und sie vertrat die Eigentuemerin des Grundstuecks und der darauf errichteten Gebaeude gegenueber deutschen und alliierten Dienststellen. Und sie, die wir Umm Ahmed nannten, wurde auch zur Umm, zur Mutter, der neuen kleinen, ach so kleinen Moschee-Gemeinde, stets bemueht zu helfen und die vielen und vielfaeltigen Noete zu lindern, unter denen die Brueder und Schwestern litten, und die die damalige Zeit kennzeichneten. Gott belohne sie fuer ihren aufopfernden Dienst an Moschee und Gemeinde und schenke ihr die Glueckseligkeit des Paradieses, amin.

Schon wenige Monate nach Kriegsende trafen sich ein kleiner Kreis von Schwestern und Bruedern und alte und neue nicht-muslimische Freunde der Moschee zu ersten kleineren Veranstaltungen, wie Freitagsgebeten, formlosen Gemeindezusammenkuenften und dem einen oder anderen Vortrag. Da die Moschee unbenutzbar war, fanden die Treffen im Haus des Imams neben der Moschee statt. Im Sommer bereitete das keine Probleme. Fuer den Winter aber musste in dem als Gemeindesaal dienenden Wohnzimmer ein kleiner Kanonenofen installiert werden, denn die Heizung konnte wegen Brennstoffmangels nicht in Betrieb genommen werden. Jeder Besucher brachte ein paar Briketts oder eine Handvoll Koks in einer Einkaufstasche mit, um den Raum fuer die Veranstaltung zu beheizen.

So gross war der Enthusiasmus wieder zum Gebet und zu Gespraechen ueber den Islam, aber auch ueber persoenliche Sorgen und Noete zusammenkommen zu koennen, dass man auch lange und beschwerliche Wege durch Truemmer und Schutt und hauptsaechlich zu Fuss, weil die oeffentlichen Verkehrsmittel erst nach und nach wieder in Betrieb genommen werden konnten, nicht scheute, um zur Moschee zu gelangen. Es war schon eine bemerkenswerte, eine aussergewoehnliche Zeit! Schwester Amina Mosler wurde bei ihren Bemuehungen um den Wiederaufbau von Moschee und Gemeinde in diesen ersten, schweren Jahren nach dem Krieg vor allem von den deutschen Bruedern Hassan Schuhmacher und - nach seiner Rueckkehr aus Kriegsgefangenschaft und Internierung - Mustafa Konieczny, tatkraeftig unterstuetzt. Die Freitags- und Festgebete leitete, wie mir berichtet wurde, der aus Indien stammende Journalist, Hafiz Manzoor ud-Din Ahmad, ein in Qur'an und Sunnah besonders bewanderter Bruder. Nach der Teilung Indiens im Jahre 1947 optierte er fuer Pakistan und gruendete in Berlin einen pakistanischen Informationsdienst, der 1954,als ich Berlin verliess, noch bestand.

Die Moschee und ihre Gemeinde wurde 1946 von dem inzwischen errichteten "Kirchlichen Beirat beim Magistrat von Gross-Berlin" (Berlin C 2 Bischofstr.)anerkannt. Sie war vom gleichen Zeitpunkt auch Mitglied der "Arbeitsgemeinschaft der Kirchen und Religionsgemeinschaften in Gross-Berlin". Es war offenbar weder fuer die Anerkennung durch den Magistrat noch fuer die Mitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft noetig, dass sich die Gemeinde formell konstituierte, denn eine formelle Gruendung ist nie erfolgt. Über die Anerkennung gab es eine vom Vorsitzenden des Rats erteilte "Bescheinigung". Diese musste jaehrlich erneuert werden.

Im Maerz 1948 konnte auch der Verlag der Berliner Moschee, in den bis 1940 die "Moslemische Revue" und noch kurz vor Kriegsausbruch, im Fruehjahr 1939,die deutsche Qur'an - Übersetzung von Maulana Sadr-ud-Din erschienen waren, seine Taetigkeit wieder auf nehmen, dank der Initiative von Mustafa Konieczny. Dieser publizierte 1948 im genannten Verlag unter dem Titel "Apologie des Islam" eine von ihm selbst gefertigte deutsche Übersetzung der von Dr.Laura Veccia Vaglieri, der Leiterin der "Scuola di Lingue Slave ed Orientali Viventi" in Rom verfassten Schrift "Apologia dell'Islamismo" als erste Veroeffentlichung des Verlags nach dem Krieg.

1949 folgte das Werk "Die Moschee - Bedeutung, Einrichtung und kunsthistorische Entwicklung der islamischen Kultstaette" aus der Feder des islamischen Kunsthistorikers und langjaehrigen Direktors der islamischen Abteilung der Staatlichen Museen in Berlin, Professor Dr. Ernst Kuehnel.

Fuer beide Veroeffentlichungen war noch die Zulassung der "Nachrichtenkontrolle der USA Militaerregierung in Berlin" erforderlich. Diese wurde unter der Nummer 9032 fuer die "Apologie" und unter der Nummer 10908 fuer "Die Moschee" erteilt. Die "Apologie" erschien in einer Auflage von 750 Exemplaren, "Die Moschee" in einer Auflagenhoehe von 1000 Exemplaren. Den Druck besorgte die "Buchdruckerei fuer Orient-Sprachen, Anton Dybe",Forststr.11, Berlin - Steglitz, die auch die Qur'an-Übersetzung von Maulana Sadr-ud-Din gedruckt hatte.(Der arabische Text wurde damals noch im Handsatz von Anton Dybe selbst erstellt, dem an dieser Stelle nochmals aufrichtig fuer seine stete Kooperationsbereitschaft gedankt sei).

Die Kosten fuer beide Veroeffentlichungen bestritt Mustafa Konieczny aus eigenen, privaten Mitteln.

Zwischen 1946 und 1948 besuchten mehrere Male Vertreter der Eigentuemerin des Moschee- Grundstuecks und - nach deutschen Recht - der Moschee, der "Ahmadiyya Anjunan Isha'at-i- Islam, Lahore", Berlin.

Als erster kam aus London der Redakteur der "Islamic Review", Maulvi Abdul Majid.Ihn folgte Professor Dr. S. M. (Sheikh Mohamed) Abdullah, der bis Kriegsausbruch Imam der Berliner Moschee gewesen war und jetzt die Moschee in Woking bei London als Imam leitete.

Ihnen ging es bei ihren Besuchen in erster Linie darum, sich ein klares Bild von Umfang der Kriegsschaeden an Moschee und Wohnhaus des Imam zu verschaffen und erste Schritte zur Erhaltung der Bausubstanz einzuleiten. Sie beauftragten den Architekten Jarchow aus Berlin-Wilmersdorf mit der Erstellung eines Gutachtens und erteilten ihn dann den Auftrag, die Moschee nach einen Dringlichkeitsplan zunaechst winterfest und dann wieder benutzbar zu machen. Diese Arbeiten konnten in wesentlichen bis Ende 1948 abgeschlossen werden.

Ich halte es an dieser Stelle fuer geboten, zum besseren Verstaendnis des Standorts der "Ahmadiyya Anjunan Isha'at-i-Islam, Lahore" in der Welt des Islam aus den 1993 in Guetersloher Verlagshaus erschienenen Buch "Was will der Islam in Deutschland" von Muhannad Salim Abdullah zu zitieren: "Geschichte vertraegt weder Manipulation noch Einengung auf je genehme Entwicklungen bzw. auf bestimmte Gruppierungen und deren Wirksamkeit. Daher waere der Abriss " 3.Gemeindegruendung" unvollstaendig, wollte man die Ahmadiyya-Muslim-Bewegung" aussparen nur weil sie von der Orthodoxie auf unbestimmte Zeit suspendiert worden ist."

"Religionsgeschichtlich gesehen, ist die Ahmadiyya eine Islamische Sondergruppe - den Begriff 'Sekte' kennt der Islam nicht - die 1974 auf Betreiben der Islamischen Welt-Liga und der Jama'at-i- Islami Pakistan als Haeresie verurteilt und aus der Islamischen Weltgemeinschaft ausgeschlossen worden ist. Die theologischen Fakten und Aspekte muessen hier aussen vor bleiben. Soviel bleibt jedoch festzuhalten: Die Bewegung gilt seither - aehnlich den Baha'i - als eigenstaendige nichtislamische Religionsgeneinschaft. Wobei sie selbst - ganz in Gegensatz zu den Baha'i - darauf besteht, gut islamisch zu sein."

"Der Ahmadiyya ist ein sehr stark entwickeltes Missionsbewusstsein implizit. " (S. 16 u.17)

Ich habe folgendes hinzuzufuegen:

Die Ablehnung der Ahmadiyya-Bewegung, und zwar ihrer beiden, nach den Sitz der Zentralverwaltungen benannten Zweige, den Qadiani- jetzt Rabwah-Fluegel und den Lahore-Fluegel, nicht nur durch die Orthodoxie, sondern durch die Mehrheit der Muslime des indischen Subkontinents, ist so alt wie die Bewegung selbst. In der formellen Verurteilung dieser Bewegung als Haeresie und in den ihren Mitgliedern in Pakistan per Gesetz verordneten Status als religioese Minderheit, hat diese, zumindest unter pakistanischen und indischen Muslimen weit verbreitete Ablehnung ihren juengsten Hoehepunkt erreicht. Existent war sie schon immer, auch unter den vor den Krieg in Deutschland lebenden indischen Muslimen. Von Tag der Grundsteinlegung an hat die Berliner Moschee diese Ablehnung immer und immer wieder, mal schwaecher, mal staerker, zu fuehlen bekommen. Zu den rein religioesen, theologischen Gruenden fuer die Ausgrenzung dieser Bewegung, die schwerwiegend genug sind, kam hinzu, dass ihre Anhaenger wegen ihrer Kompromisbereitschaft gegenueber der britischen Kolonialmacht, die sie sogar theologisch zu untermauern versuchten, bei den nach Freiheit und Unabhaengigkeit draengenden Kraeften unter den indischen Muslims als Quislings galten.(Diese Karte wurde waehrend der Nazi-Zeit auch verschiedentlich gegen die Moschee ausgespielt, der man ausserdem vorwarf, sie "entziehe Juden dem Zugriff der Justiz".)

Auch der geistige Vater Pakistans, der Dichter und Philosoph Mohamnad Iqbal, der 1933 in Lahore verstarb, war ein erklaerter Gegner der Ahmadiyya Bewegung. Seine Kontakte zur Berliner Moschee beschraenkten sich auf einen kurzen Briefwechsel mit dem deutschen Muslima juedischer Herkunft, Dr. Hamid Markus, Anfang der dreissiger Jahre. Harald Markus stand der Moschee, vor allem Maulana Sadr-ud-Din sehr nahe und hat letzteren bei der Gestaltung des Texts der deutschen Übersetzung des Qur'an grosse, wenn auch nicht - wie ich spaeter noch naeher ausfuehren werde - unumstrittene Dienste geleistet.

Von alle dem war mir nichts bekannt, als in Fruehsommer 1948 Professor Abdullah aus Woking bei mir anfragte, ob ich bereit sei, die Berliner Moschee als Imam zu uebernehmen. Das was ich in den wenigen mir zugaenglichen, zumeist von der Bewegung selbst herausgegebenen Schriften ueber die Ahmadiyya-Bewegung gelesen hatte, liess keinerlei Verdacht an ihrer Rechtglaeubigkeit in mir aufkommen .Und die wenigen mir bekannten Ahmadis, wie Professor Abdullah und Maulvi Abdul Majid hatten auf mich den Eindruck gemacht, von Islam durchdrungen zu sein und ein Leben ganz nach den Lehren des Qur'an und des Propheten Muhammad, auf dem der Friede und der der Segen Gottes ruhen moege, zu fuehren.

In der Anfrage erblickte ich eine mir von Gott gegebene einmalige Moeglichkeit, dem Islam zu dienen, so wie ich es 1942 bei meinem Eintritt in die "Tariqa Mohamediya" gelobt hatte. Ich willigte deshalb freudig und ohne zu zoegern ein, die Aufgabe zu uebernehmen, die, wie es in meinen vom 19.1.19949 datierten Ernennungsschreiben ausdruecklich heisst, neben der Verwaltung der Moschee auch die seelsorgerische Betreuung der Moschee-Gemeinde und die Ausuebung aller religioesen Amtshandlungen eines Imam, wie die Leitung der Gottesdienste, Trauungen, Begraebnisse etc. umfasste.

Ich trat mein Amt in Berlin an 21.6.1949 an und setzte fuer meine Taetigkeit folgende Prioritaeten:

1.Die Sammlung, Betreuung und Erweiterung der Gemeinde;
2.Die Fortfuehrung der Instandsetzungsarbeiten an der Moschee;
3.Die Aufnahme und Pflege von Kontakten mit deutschen amtlichen und nichtamtlichen Stellen Einrichtungen und Organisationen, soweit sie fuer die Arbeit der Moschee relevant waren;
4."Da'wa",d.h. 'den Islam bekanntmachen und den Nicht-Muslima anregen, darueber nachzudenken, sowie mit ihm ueber den Glauben zu sprechen (aus: Ahmad von Denffer, "Kleines Woerterbuch des Islam", HDI-Luetzelbach 1936,S.86);
5. Einbindung der Moschee-Gemeinde in den internationalen lslam, d.h. .die "Ummah", im Unterschied, ja Gegensatz zur restriktiven Ankoppelung an die Ahmadiyya- Bewegung.

Mit Gottes Hilfe gelang es mir schon in kurzer Zeit, die Moschee mit neuem Leben zu erfuellen. Ich stellte ein Veranstaltungsprogramm auf, das jahrelang den Rahmen fuer die Aktivitaeten in der Moschee bildete und das folgende regelmaessige Veranstaltungen vorsah: das Freitagsgebet; Qur'an - Unterricht fuer Muslime und Nicht-Muslime an jedem Mittwochabend; Religionsunterricht fuer die Kinder der Gemeinde an jedem Sonntagmorgen, sowie arabischen, persischen und tuerkischen Sprachunterricht.

Zusaetzlich fanden in Abstaenden von wenigen Wochen Vortragsabende, Filmvorfuehrungen und Diskussionsabende statt. Die Feste, das Id ul Fitr und das 'Id ul-Adha wurden mit einen Festgebet an Morgen und mit einen groesserem Vortrag und anschliessenden geselligen Beisammensein an Abend begangen.

Der Besuch der Veranstaltungen war recht erfreulich. Vor allem die in erster Linie fuer Nicht-Muslime eingerichteten Informationsprogramme erfreuten sich wachsender Beliebtheit.

Zu meiner grossen Bestuerzung aber musste ich schon sehr bald feststellen, dass viele auslaendische Brueder in wachsenden Masse der Moschee nicht nur fernblieben, sondern sogar damit begannen, innerhalb der Gemeinde und leider auch schon bald in der Oeffentlichkeit, gegen die Moschee und mich, als deren Leiter, zu agitieren .Als Grund wurde wieder einmal die Abweichung der Ahmadiyya von der orthodoxen Norm genannt. Damit war der gleiche Zustand wieder eingetreten, der auch schon vor dem Krieg geherrscht und das Einvernehmen unter den damals in Berlin lebenden Muslim so stark beeintraechtigt hatte.

Ich hatte gehofft, eine solche Entwicklung verhindern zu koennen. indem, ich mich jeder Propaganda fuer die Ahmadiyya enthielt und mich nach bestem Wissen und Vermoegen in allem, was ich tat und sagte, an eben diese orthodoxe Norm hielt, deren Befolgung mir gleichwohl ohne Grund und Anlass abgesprochen wurde.

Trotz aller Bemuehungen und besten Willens konnte ich nichts dagegen tun, dass sich die Gemeinde spaltete. Die Gegner der Moschee scharten sich um Hafiz Manzoor ud-Din Ahmad und gruendeten eine eigene Gemeinde, die "Islamische Gemeinde", die sich von nun an zu Gebeten und anderen Veranstaltungen im Gebetsraum auf dem Tuerkischen Friedhof in der Hasenheide traf.

Nun, da es zwei muslimische Gemeinden in Berlin gab, wurde es erforderlich, dass sich die Moschee-Gemeinde formell konstituierte und beim Magistrat von Gross-Berlin, jetzt im Rathaus von Berlin-Schoeneberg, die Zulassung als nicht politische Organisation beantragte. Dies geschah, und mit Schreiben vom 10.5.1950,Az. Wilm 1955,das von dem damaligen Oberbuergermeister Dr. Ernst Reuter unterzeichnet ist, wurde den Gruendern der Gemeinde, die sich den Namen "Deutsch- Muslimische Gemeinde Berlin" gegeben hatte, mitgeteilt, dass der Magistrat sie anerkannt habe, und dass "die Organisation vom 10.Mai 1950 ab ihre Taetigkeit im Bereich von Gross-Berlin ausueben duerfe".

Der Name "Deutsch-Muslimische Gemeinde Berlin" war einmal wegen des Standorts und zum anderen deshalb gewaehlt worden, weil die Mehrheit ihrer Mitglieder deutsche Muslime waren. Mit dem Namen sollte wohl auch zum Ausdruck kommen, dass die deutschen Muslime ein hoeheres Mass an Eigenverantwortung und einen groesseren Einfluss auf die Gestaltung ihres Gemeindelebens beanspruchten, als dies bis dahin der Fall war.

Trotz vieler Widrigkeiten, zu denen ich mich nicht im Einzelnen aeussern moechte, weil sie kaum ein Ruhmesblatt im Buch der so viel besungenen muslimischen Bruederlichkeit darstellen, konnte sich die Gemeinde behaupten. Nicht zuletzt durch die vielen Übertritte Deutscher zum Islam, die sich nach ihren Übertritt der Gemeinde anschlossen, zaehlte sie schon bald ueber 300 Mitglieder, von denen nur ein Bruder - und das aus voellig freien Stuecken und ohne nein Zutun - auch Mitglied der Ahmadiyya - Bewegung wurde.

Die Instandsetzungsarbeiten an der Moschee wurden unter der Bauleitung des Architekten Jarchow zuegig weitergefuehrt .Da die Grundmauern der Moschee beim Bau nicht genuegend isoliert waren mussten sie etwa einen Meter ueber den Boden aufgesaegt und mit einer Isolierschicht versehen werden. Im Inneren der Moschee wurde ein neuer Fussboden verlegt, Putz und Anstrich wurden erneuert und das Dach wurde neu gedeckt. Auch die Minarette - Stuempfe erhielten eine Abdeckung, um sie gegen Witterungseinfluessen zu schuetzen. Besonders stolz waren wir ueber das innen in Kuppelsockel angebrachte Schriftband mit den Spruch "Wa la ghali-bah illa'llah" (keinen Sieger gibt es ausser Gott),fuer das gleichlautende Schriftzuege in maurischen Moscheen als Vorbild und Muster gedient hatten.

Aber auch bei der baulichen Wiederherrichtung mussten wir eine herbe Enttaeuschung erleben. Der Architekt Jarchow, dem die Moschee regelmaessig und puenktlich Vorschuesse fuer die auszufuehrenden Arbeiten gezahlt hatte, insgesamt in Hoehe von ca. 100000.-DM,wurde ploetzlich zahlungsunfaehig. Dabei stellte sich heraus, dass er die geleisteten Vorschuesse nicht an die bauausfuehrenden Firmen weitergeleitet hatte. Diese nun verklagten die Moschee wegen ungerechtfertigter Bereicherung. Sie gewannen ihren Prozess und die Moschee musste praktisch alles noch einmal bezahlen. Dies war umso schmerzlicher, als jeder Pfennig, der fuer den Wiederaufbau der Moschee, wie auch fuer ihren Unterhalt ausgegeben wurde, aus Spenden stammte, die in Pakistan gesammelt worden waren. Viele der Spender hatten kaum selbst genug zum leben, aber ihr Schaerflein beitragen zu koennen an der Verbreitung des Islam, machtet sie zu jedem Opfer bereit. Sehr erfreulich gestaltete sich dagegen der Kontakt mit amtlichen und nichtamtlichen Stellen, Einrichtungen und Organisationen in Berlin. Hier muessen vornehmlich der "Beirat fuer kirchliche Angelegenheiten beim Magistrat von Gross-Berlin" und die "Arbeitsgemeinschaft der Kirchen und Religionsgesellschaften in Berlin" genannt werden.

Da ich beide Einrichtungen fuer besonders vorbildlich und beachtenswert halte, duerften einige Ausfuehrungen ueber sie nicht fehl am Platz sein.

Ich zitiere aus dem Nachwort zu dem Buch "Was glauben die Anderen? 26 Selbstdarstellungen", herausgegeben 1954 von der Arbeitsgemeinschaft der Kirchen und Religionsgesellschaften in Berlin (eine Neuauflage ist kuerzlich im Guetersloher Verlagshaus erschienen):

"Nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 richtete die sowjetische Besatzungsmacht einen Beirat fuer kirchliche Angelegenheiten als Dienststelle des Magistrats von Gross-Berlin ein. Dieser Beirat, dem aus den Reihen der Opfer des Faschismus Vertreter der evangelischen, katholischen und juedischen Konfession angehoerten, hatte die Aufgabe Mittler zu sein zwischen Magistrat, Besatzungsmaechten und Religionsgemeinschaften, auch sollte er die wirtschaftlichen Interessen aller Religionsgemeinschaften in der staedtischen Verwaltung vertreten .Angesichts der ungemein schwierigen Verhaeltnisse in den ersten Nachkriegsjahren verdanken die Kirchen und Religionsgemeinschaften in Berlin ihm in der Tat die notwendigen Hilfen zur Durchfuehrung ihrer Arbeit."

"Auf dem Boden dieser Erfahrungen ist dann der Gedanke eines freien Zusammenschlusses aller Kirchen und Religionsgemeinschaften zu einer Arbeitsgemeinschaft entstanden durch die eine selbstaendige Interessenvertretung gegenueber Staat und Oeffentlichkeit gewaehrleistet werden konnte. Es gelang, die Vertreter der grossen Kirchen und der kleineren Gemeinschaften an einen Tisch zu bekommen. Mag auch in Anfang angesichts des ungewohnten Vorhabens eine gewisse Zurueckhaltung bei den einzelnen Gruppen geherrscht haben, so entstand doch bei der Bewaeltigung der zahlreichen praktischen Aufgaben auf den Boden menschlicher Begegnung eine fruchtbare Zusammenarbeit; diese hat weder mit den Zielsetzungen einer Oekumene noch der Una Sancta etwas zu tun. Die in der Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen Kirchen und Religionsgesellschaften betrachten es als ihre Aufgabe, entsprechend der Praeambel der. Satzung 'in gegenseitiger Achtung ihrer Eigenstaendigkeit fuer die Werte und die Freiheit religioesen Wirkens gemeinsam einzutreten'. Bezeichnend dafuer ist, dass Beschluesse nur zustande kommen, wenn kein Widerspruch erfolgt." "Heute duerfen wir feststellen, dass die Kooperation in der Arbeitsgemeinschaft auch manche Spannungen zwischen den einzelnen Gruppen gemildert hat; Missverstaendnisse konnten fast immer in offener Aussprache bereinigt werden. Auch ueber die Einrichtung einer Schiedsgerichtsordnung, die Auseinandersetzungen vor der Justiz (und in der Oeffentlichkeit - Anm. des Verfassers) vermeiden soll, ist Einigkeit erzielt worden".

"Ausser wirtschaftlichen Hilfestellungen hat sich die Arbeitsgemeinschaft oeffentlich fuer die Geltung des religioesen Lebens eingesetzt, z.B. im Rundfunk und in den Volkshochschulen. Ferner waren ihr aus verschiedenen Hilfsquellen Unterstuetzungen moeglich, die den Gefangenen in Strafanstalten in geistiger und materieller Hinsicht zugute gekommen sind. An der kulturellen Betreuung der Strafgefangenen wurden mehrere Religionsgemeinschaften mitbeteiligt." "Blickt man auf die Taetigkeit und Umfang der Arbeitsgemeinschaft kann man heute sagen: Die Arbeitsgemeinschaft der Kirchen und Religionsgesellschaften in Berlin, die anderswo keine Parallele hat, ist zu einer Einrichtung geworden, die aus dem religioesen Leben unserer Stadt kaum mehr wegzudenken ist."

Ich kann diesen Ausfuehrungen, die ich uneingeschraenkt bestaetige, nur noch hinzufuegen, dass zu den Mitgliedern des Beirats u.a. auch Pastor Niemoeller und Probst Grueber von der evangelischen Kirche und Siegmund Weltlinger von der juedischen Gemeinde gehoerten. Langjaehriger Generalsekretaer und Seele und Motor der Arbeitsgemeinschaft war Kurt Eberhardt - ein grossartiger Mensch und aufrichtiger Freund!

Die Moschee und ihre Gemeinde hat von ihrer Anerkennung durch den Beirat und ihre Mitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft vielfachen Nutzen und keine Nachteile gehabt. Ob bei der Anbahnung von Kontakten zu Behoerden und zu den Medien oder bei der Loesung von juristischen, organisatorischen und menschlichen Problemen: auf die Hilfe und Unterstuetzung der Arbeitsgemeinschaft konnte man sich stets verlassen. Besonders wertvoll aber war ihr Beitrag zum Erhalt von Frieden und Eintracht unter den ihr angeschlossenen 26 Kirche und Religionsgesellschaften in Berlin. Es war wohl die erste, bestaendigste und erfolgreichste Einrichtung des inter-religoesen Dialogs in Deutschland.

Die Da'wah - Aktivitaeten der Moschee und ihrer Gemeinde umfassten ein weites Feld: Vertrags- und Filmveranstaltungen in der Moschee, in Schulen, Klubs und vor einer Vielzahl von anderen Foren monatliche Rundfunkprogramme ueber den Islam im RIAS, dem Rundfunk im amerikanischen Sektor, die durch Vermittlung der Arbeitsgemeinschaft ermoeglicht wurden, Fernseh- und Presse - Interviews gehoerten ebenso dazu, wie eine umfangreiche Korrespondenz und persoenliche Gespraeche mit allen, die ueber den Islam Auskunft heischten. Zwei Vorhaben aber verdienen besondere Erwaehnung: Die Vorbereitung einer neuen Qur'an- Übersetzung und die Herausgabe eines monatlich erscheinenden Nachrichtendienstes. Wie bereits erwaehnt, brachte die Berliner Moschee 1939 eine deutsche Qur'an - Übersetzung heraus, fuer die Maulana Sadr-ud-Din sich verantwortlich zeichnete. Es war die erste, wie es damals hiess, "aus der Feder eines Muslims stammende Übersetzung, von der man sicher war, dass die deutsche Oeffentlichkeit sie freundlich aufnehmen wuerde."

In seinem Vorwort zu dem Werk weist Sadr-ud-Din ausdruecklich darauf hin, dass er kein "lueckenloser Kenner der deutschen Sprache" und deshalb auf die Hilfe von Mitarbeitern angewiesen war. Einer dieser Mitarbeiter war Dr. Hamid Markus, der in der Danksagung aus politischen Gruenden zwar nicht mehr genannte wird, der aber, wie mir Maulana Sadr-ud-Din selbst bestaetigt hat, an der sprachlichen Gestaltung des deutschen Texts und des Kommentars massgeblich beteiligt war.

Aus dem Umstand, dass Maulana Sadr-ud-Din nur ungenuegend Deutsch und Dr.Hamid Markus kein Arabisch sprach, ergaben sich zahlreiche Ungenauigkeiten in der Übersetzung. Hinzukommt, dass der Kommentar - mit Ahmadiyya - Gedankengut durchsetzt ist, und dass der arabische Text zahlreiche typographische Fehler auf weist. Deshalb erblickten viele Muslims, die die Übersetzung kannten, in der Tatsache, dass der groesste Teil der Auflage bei einem Bombenangriff auf Berlin ein Opfer der Flammen wurde, eine Bestaetigung des Qur'an - Verses: "Siehe, Wir sandten die Warnung (den Qur'an) herab und Wir sind Waechter ueber sie (Wir bewahren ihn vor jeglicher Entstellung)".( Sure 15,Vers 9)

Eine Überarbeitung dieser Übersetzung schien mir daher dringend geboten. Ich wurde in meiner Ansicht durch den syrischen Bruder, Zehdi Charrabe, bestaerkt, der sich erbot, diese Arbeit mit mir zusammen in Angriff zu nehmen. Zehdi Charrabe war seinerzeit Lehrbeauftragter fuer Arabisch an der Freien Universitaet Berlin. Er hatte ein sehr feines Sprachgefuehl und sprach Deutsch wie ein geborener Deutscher Herr Charrabe war ein haeufiger Besucher in der Moschee und war mir ein Freund und Berater geworden. Er leitete auch die Arabisch - Kurse fuer Kinder und Erwachsene, die in der Moschee stattfanden.

Schon bald, nachdem wir mit der Überarbeitung begonnen hatten .mussten wir feststellen, dass es mit einer Korrektur des vorliegenden Texts allein nicht getan war. Wir entschlossen uns deshalb zu einer voellig neuen Übersetzung, an der wir dann laenger als ein Jahr - gemeinsam arbeiteten. Leider mussten wir diese ausserordentlich fruchtbare Zusammenarbeit kurz vor dem Ziel abbrechen weil ich mich inzwischen dazu entschlossen hatte, Berlin zu verlassen. Ich habe die Übersetzung dann allein fertiggestellt aber bisher jedem Wunsch nach Veroeffentlichung widerstanden weil ich, je mehr und je laenger ich mich mit den Text des Qur'an befasse, umso klarer erkenne, dass keine Übertragung des Heiligen Textes in eine andere Sprache dem arabischen Original gerecht werden kann. Und fuer eine weitere mit Maengeln und Unzulaenglichkeiten behaftete Übersetzung auch wenn diese ungewollt und unvermeidbar sind, sehe ich keinen Bedarf.

Das zweite groessere Vorhaben war die Herausgabe eines monatlichen Nachrichtendienstes der Berliner Moschee unter den Namen "Orient Post - Barid asch-Scharq". Die Initiative hierzu ging von Mustafa Konieczny aus, der ein talentierter Graphiker war und ueber grosse Kenntnisse in Druckgewerbe verfuegte.

Fuer die Herausgabe war, was wir zunaechst nicht wussten, eine Zulassung der Militaerregierung Deutschland, Nachrichtenkontrolle, erforderlich, die mir ad personan am 10.Juli 1950 unter der Nr.314 erteilt wurde. Sie enthaelt eine Reihe von Auflagen, von denen die wichtigste wohl die war, dass ich jederzeit alle Gesetze, Verordnungen, Vorschriften und Anweisungen der Militaerregierung befolge. Unter "Other Conditions" heisst es dann noch genauso vage: "As laid down in Information Services Control General and Speciel Licensing Instructions to Periodical Licensees and any further instructions which may be issued from time to time."

Die erste Nummer dieses in der Moschee auf einer von der Firma Rotaprint kostenlos zur Verfuegung gestellten Druckerei - Maschine gedruckten Dienstes erschien in Februar 1949 in einer Auflagenhoehe von 1000 Exemplaren. Die "Orient Post" war dreisprachig gehalten (Deutsch, Englisch und Arabisch),um in erster Linie an Empfaenger im Ausland versandt zu werden, und zwar kostenlos. Die Herstellungs- und Versandkosten wurden durch Einnahmen aus Annoncen gedeckt.

Die "Orient Post" erwies sich als grosse Hilfe bei der Anbahnung von Kontakten ueberall in der muslimischen Welt. Leider aber mussten wir ihr Erscheinen bereits im November 1950 wieder einstellen, weil sich die Erwartungen, die wir in sie als Werbetraeger gesetzt hatten, nicht erfuellten. Dadurch blieben die Annoncen aus, durch die der Dienst finanziert wurde, und eine Fortsetzung der Herausgabe wurde folglich unmoeglich.

Zu den wohl wichtigsten Verbindungen zu internationalen islamischen Zentren und Organisationen, die wir anbahnen konnten, gehoerten zweifellos unsere Kontakte zur Al-Azhar Universitaet in Kairo und zum Islamischen Weltkongress. Mehrere Male besuchten Professoren der Azhar die Moschee. In besonders erfreulicher Erinnerung habe ich den Besuch von Sheikh Mohammad Madi. Auch die enge Freundschaft, die in jener Zeit zwischen dem Generalsekretaer des Islamischen Weltkongress, Dr. Inamullah Khan, und mir begruendet wurde, und die bis heute fortbesteht, war fuer meine Arbeit und fuer mich persoenlich von hohem Wert, Zurueckblickend auf die vier Jahre meiner Taetigkeit in Berlin moechte ich zusammenfassend folgendes hervorheben:

Das Verhaeltnis zwischen Moschee und Gemeinde und den Berliner Behoerden haette nicht besser sein koennen. Wir rannten mit allen Anliegen, die wir hatten, stets offene Tueren ein.

Die Medien zeigten sich an unseren Aktivitaeten ernsthaft interessiert und waren stets offen fuer Informationen ueber den Islam und aus der Welt des Islam. Dass ich persoenlich einige Male in einigen Zeitungen diffamiert wurde, sehe ich ihnen deshalb nach, weil die Angriffe gegen mich Teil der gegen die Moschee gerichteten anti - Ahmadiyya Kampagne waren. Die Zeitungen wurden, wahrscheinlich ohne dass sie es durchschauten, fuer diesen Zweck missbraucht, und ich war das Opfer. Die Berliner Oeffentlichkeit war uns gegenueber in einer Weise auf geschlossen, wie man es sich heute - nach Moelln und Solingen - kaum vorstellen kann. Auslaenderfeindlichkeit und Tuerkenhass waren unbekannte Begriffe. Gegner hatten wir nur in unseren eigenen Reihen. Bei unseren nicht - muslimischen Mitbuergern waren wir geachtet, von vielen wurden wir geschaetzt. Das Interesse an Islam war gross und ehrlich. Dass wir dieses Interesse nicht besser genutzt haben, nicht haben besser nutzen koennen aus Gruenden, die wir ausschliesslich bei uns selbst zu suchen haben, ist mehr als bedauerlich. Wir haben damals grosse Moeglichkeiten vertan, weil wir ihnen offensichtlich nicht gewachsen waren. Insofern war meine Taetigkeit in Berlin unbefriedigend und hatte nicht den Erfolg, den ich mir erhofft hatte. Gott moege mir meinen Teil der Schuld daran verzeihen.

Ich verliess Berlin im Fruehjahr 1954 - auf eigenen Wunsch.

Mohammad Aman Hobohm

Veroeffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Mohammad Aman Hobohm



Deutsche Muslim-Liga Bonn e.V. - 1423 / 2002