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Aus dem Archiv, von der Pressestelle der DMLBonn e.V.


Stellungnahme von Dr. Irmgard Pinn, Aachen,

zu der von Innenminister Schily bestellten Zuwanderungskommission (Juli 2000)


Im Folgenden geben wir eine Stellungnahme von Dr. Irmgard Pinn, Aachen, wider, der sich die DMLBonn anschliesst.

Irmgard Pinn

Einwanderungspolitik nach Gutsherrenart

Green Card, Blue Card und jetzt auch noch ein von Innenminister Schily bestelltes Gremium - der Arbeitskraeftebedarf in deutschen Hochtechnologie-Unternehmen hat unuebersehbar einiges in Bewegung gebracht. Waehrend jedoch Schilys Entscheidung, die ehemalige Bundestagspraesidentin Suessmuth, also eine "CDU-Frau", zur Vorsitzenden der Zuwanderungskommission zu bestellen, in Politik und Medien erheblichen oeffentlichen Wirbel ausloeste, fand deren personelle Zusammensetzung bemerkenswert geringe Beachtung. Dass sozialwissenschaftliche Kompetenz ueberhaupt nicht gefragt ist und nur zwei Frauen dem Gremium angehoeren, wird offenbar als ganz normal empfunden, ebenso eine Bestellungspraxis, die mit "Kluengel" sehr freundlich umschrieben sein duerfte. Ich jedenfalls vermag keine anderen Kriterien zu erkennen als erstens "Die sind immer dabei und muessen deshalb auch jetzt dabei sein" und zweitens persoenliche Sympathien von Innenminister Schily. Wie gut, dass es bei uns nicht zugeht wie im Orient ...

Migrantinnen und Migranten waren noch nie in solchen Gremien vertreten und sind es deshalb natuerlich auch jetzt nicht. Wo kaemen wir denn hin, erhielten ploetzlich Muellmaenner und Putzfrauen zu hoechsten Kreisen Zutritt, wo ueber die Zukunft der BRD debattiert und entschieden wird? (Dass ein nicht unterheblicher Teil der Zugewanderten laengst die deutsche Staatsangehoerigkeit besitzt und qualifizierte Berufe ausuebt, studiert und an Hochschulen lehrt spielt dabei keine Rolle - das Odium von Muelleimer und Putzlappen und "Nix verstehn" bleibt haften.)

Begruendet wird die Zusammensetzung des rein deutschen Gremiums selbstverstaendlich mit ganz anderen, naemlich mit "sachlichen" Gruenden (Groesse, Effizienz, der Unmoeglichkeit, aus dem breiten Spektrum der Migranten(organisationen) einen einzigen Repraesentanten auszuwaehlen usw.). Doch ueberzeugend klingt das alles nicht, denn moeglichen negativen Effekten auf Effizienz und Tempo der Kommissionsarbeit wuerde mit Sicherheit ein erheblicher Zugewinn an Kompetenz gegenueberstehen. Zweitens aber - und das ist m.E. das entscheidende Argument - wird durch die Einsetzung dieses exklusiv deutschen Gremiums die - zumindest rhetorisch - von der rot-gruenen Bundesregierung angestrebte Integrationsfoerderung und Verbesserung im Zusammenleben von Einheimischen und Zugewanderten nachhaltig hintertrieben. Die politisch Verantwortlichen ignorieren standhaft, dass es sich bei letzteren ueberwiegend laengst nicht mehr um typische "Gastarbeiter" handelt, die weder die Sprache noch die Spielregeln der hiesigen Gesellschaft beherrschen. Und was deren staendig beklagte Neigungen zur Abschottung und Ghettobildung betrifft, so wird die Etablierung dieser Zuwanderungskommission bei Migrantinnen und Migranten wohl kaum die angemahnte Integrationsfreude wecken, sondern eher die Ueberzeugung bestaetigen, in der hiesigen Gesellschaft sowieso nichts zu sagen zu haben. Schon gar nicht, wenn es um die wirklich entscheidenden "grossen Fragen" geht.

Eine diskriminierende Grundhaltung kommt auch in der jetzigen Zusammensetzung des Gremiums zum Ausdruck: programmgemaess besteht es aus Persoenlichkeiten, die Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und gesellschaftliche Gruppen repraesentieren. Darunter befinden sich ein katholischer und ein evangelischer Bischof, der Praeses der Synode der Evangelischen Kirche und der Vorsitzende des Zentralrats der Juden. Ein Vertreter (oder, Gott behuete, eine Vertreterin?) der Muslime und ihrer Organisationen ist nicht dabei. Auch das entspricht durchaus dem hiesigen "Normalzustand". Der Islam gilt nach wie vor als "Gastarbeiter"-Religion, wird oft sogar mit tuerkischen Kultur und Sitten gleichgesetzt. Des weiteren wird in derartigen Zusammenhaengen gern vorgebracht, man wuerde ja schrecklich gern, aber leider, leider haetten die Muslime selbst sich bisher nicht verbindlich auf einen Repraesentanten bzw. eine repraesentative Vereinigung/Institution einigen koennen. Dass es sich dabei um ein hoechst fadenscheiniges Argument handelt, wird immerhin an der Zusammensetzung der Zuwanderungskommission sehr schoen deutlich: Nicht nur, dass die evangelische und die katholische Kirche vertreten sind - die evangelische ist es sogar in doppelter Besetzung. Und da sollte es - gesetzt den Fall, die Muslime haetten sich nicht auf eine Person einigen koennen -, nicht moeglich gewesen sein, mit der muslimischen Vertretung entsprechend zu verfahren? Muslimen und muslimischen Organsiationen wird oft - und nicht immer zu Unrecht - vorgeworfen, ihr Verstaendnis von Politik und Gesellschaft sei durch autoritaere und hierarchische Denkmuster gepraegt. Soll ihnen mit der Zuwanderungskommission vielleicht eine wegweisende Lektion in Sachen Demokratie erteilt werden? Ist den Verantwortlichen eigentlich bewusst, dass sie diejenigen bestaetigen und staerken, die den Normen und Handlungsmustern demokratischer Partizipation ohnehin skeptisch bis ablehnend gegenueberstehen? Und was sie denjenigen zumuten, die in der muslimischen Community fuer diese Prinzipien werben?

In der Konstituierung der Zuwanderungskommission manifestiert sich ein politisches Denken, das direkt an Traditionen aus der "guten alten Zeit" anknuepft, als Kolonial- und Gutsherren ja auch ihre Entscheidungen im guten Glauben trafen, rational, verantwortungsbewusst und zum Wohle aller zu handeln. Dass die "Untertanen" dazu oft eine ganz andere Meinung hatten und nicht daran dachten, sich den weisen obrigkeitlichen Massnahmen widerspruchslos zu fuegen, ist ebenfalls aus der Geschichte bekannt. Es bleibt also zu hoffen, dass Proteste aus Migrantenkreisen aber auch von Einheimischen, denen das friedliche Zusammenleben in einer "multikulturellen" Gesellschaft, faire Zuwanderungregelungen sowie der Schutz zumindest der Restbestaende eines grundgesetzlich garantierten Asylrechts mehr sind als ein Lippenbekenntnis, daran noch etwas zu aendern vermoegen.

15. Juli 2000



Deutsche Muslim-Liga Bonn e.V. - 1422 / 2001