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Radiobeitraege und Predigten von DMLBonn-Mitgliedern

Aus der Reihe von Radioansprachen von Taufiq A. Mempel im DeutschlandRadio Berlin

vom 21.11.2021

Taufiq Mempel hielt am 21.11.2021 für den Arbeitskreis Kirchen und Religionsgemeinschaften im DeutschlandRadio Berlin das Wort zum Tage: dem Vokstrauertag 2021.

As-Salamu aleikum wa Rahmat-Llah wa Barakatuhu - Der Friede sei mit Ihnen, der Segen und die Barmherzigkeit Gottes.

In einer außerkoranischen Offenbarung heißt es: “Die Menschen beklagen sich über die Zeit. Aber ICH bin die ZEIT. ICH lasse auf die Nacht den Tag folgen.” Die Zeit sei also das Nacheinander der Dinge ...

Was heißt das "Ich bin die Zeit"? Noch im Mittelalter galt in Europa die Zeit als Überbringerin göttlicher Botschaft. In Deutschland fing es dann an, das die Menschen an ihre Sakralbauten Uhren montierten. Ein ziemlich einmaliger Vorgang in der Weltgeschichte. Wir haben die Zeit ihrer Qualität beraubt, wir haben sie quantifiziert, auf ein Ziffernblatt gebannt, auf ein allzu menschliches Maß herunter reduziert. Die Zeit ist jetzt in Computer eingesperrt und verpasst unserem Leben einen irgendwie eintönigen Rhythmus.

Vieles ist vorhersehbar geworden, planbar. Ob wir Stress haben mit der Steuererklärung oder es uns tot langweilig ist am Nachmittag um 14.32 Uhr - in beiden Fällen haben wir von der Zeit - nichts. Beim Verlust eines Familienmitgliedes oder einer engen Freundin oder Freundes spüren wir dann ganz deutlich den Wert der Zeit, die wir mit dem geliebten Menschen verbracht haben. Und schmerzlich wird uns bewusst: diese Zeit ist nun vorbei. Was würden wir nicht alles tun, um die Zeit im wahrsten Sinne des Wortes “zurückzudrehen”…?

Ganz besonders in diesem Jahr fragen sich viele von uns, ob der Verlust eines geliebten Menschen vielleicht zu verhindern gewesen wäre. Was wäre, wenn? Was wäre, wenn ich dies oder jenes getan hätte. Hätte ich den Lauf der Dinge aus eigener Kraft ändern können? Aber Gott sagt in seinem Buch: "Es fällt kein Blatt zu Boden, ohne dass WIR es wüßten."

Diese Pandemie ist für Millionen von Menschen wie jede andere Krankheit auch schon längst zu unserem Schicksal geworden. Und wir sollen - wenn es irgend geht - nicht mit dem Schicksal hadern. “Wir sind Gottes und zu Ihm kehren wir eines Tages zurück...” (2;156)

Es ist immer schwer, wenn der Familienverband, der innerste Halt erschüttert wird. Unser Wohlbefinden, die Geborgenheit und Sicherheit werden in Frage gestellt. Allein sein - der schöne deutsche Ausdruck all-ein sein - heißt nicht, einsam zu sein. Vielleicht ist es an der Zeit, unsere Aktivitäten neu auszurichten. Wir stehen von nun an ganz vorn in der Ahnenreihe, sind Vorbild geworden für die Jüngeren, können Hilfe und Stütze sein und Anleitung geben.

Spätestens mit dem 60sten Lebensjahr sind die Spuren auch der körperlichen Alterung nicht mehr zu übersehen. Das Älterwerden und die Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit erfordern Mut. Vielleicht können wir das Leben ja als Teil eines größeren Zyklus verstehen. Es muss einen Grund geben, dass Gott uns in diese Welt gesetzt hat.

Die nächsten Tage und Wochen sind eine gute Gelegenheit, unsere Beziehungen zu unseren Freunden, Kindern und Nachbarn zu stärken und die Qualität dessen zu schätzen, was wir an dieser Welt haben.

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Deutsche Muslim-Liga Bonn e.V. - 1443 / 2022