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Peter Schuett: "Muehsame Anfaenge der Ratschlag der Religionen bekommt Konturen"

In: MUT - Forum fuer Kultur, Politik und Geschichte, Nr. 382, Juni 1999, S. 66 - 71, auszugsweise S. 70 f.

"Bendorfer Wohlfuehlwoche in Abrahams Schoss"

von Peter Schuett

(...) Dem interreligioesen Dialog gehoert die Zukunft, aber er vollzieht sich nicht im Selbstlauf. Er ist kein Werk von Frommen und Weltfremden und erstrebt keinen Gotteslohn, sondern im Sinne der "Patriotischen Gesellschaft von 1765" Beitraege zum Wohl der Stadt und ihrer Bewohner. Er soll helfen, Spannungen zwischen Menschen mit verschiedener "Facon" abzubauen und Wege zu einem gutnachbarlichen Miteinander von Einheimischen und Zugewanderten, von Christen und Muslimen, von diesen und von jenen zu ebnen.

Doch bei allem Lokalpatriotismus - Hamburg ist nicht Jerusalem. Hamburg ist nur ein Beispiel, ein Beispiel unter vielen anderen interreligioesen Begegnungen. Ein anderes, leuchtenderes Beispiel ist Bendorf, der Ort der alljaehrig tagenden juedisch-christlich-islamischen Konferenz. Weil sie im besten Sinne beispielhaft ist, moechte ich mir erlauben, meinem Hamburger Bericht noch einige Bendorfer Notizen hinzuzufuegen.

Die Teilnehmer kamen diesmal aus allen Himmelsrichtungen, aus den alten und den neuen Bundeslaendern, aus Indien und Suedafrika, aus England und Amerika, aus der Tuerkei und Ägypten, aus Palaestina und aus Israel. Sie waren zu gleichen Teilen Juden, Christen und Muslime. Eine Woche lang berieten Geistliche und Laien aus der abrahamitischen Ökumene im Hedwig-Dransfeld-Haus in Bendorf bei Koblenz ueber die Zukunft der Weltreligionen, die sie sich im kommenden Jahrhundert nur als gemeinsame Zukunft vorstellen koennen. Traeger der Begegnung war die bereits seit 1972 taetige "Staendige Konferenz von Juden, Christen und Muslimen in Europa", die in Zusammenarbeit mit ihren Partnerverbaenden - dem renommierten Leo-Baeck-College in London, dem katholischen Hedwig-Dransfeld-Haus und der Deutschen Muslim-Liga Bonn - regelmaessig zu interreligioesen Trialogen einlaedt.

Trotz des gebotenen Ernstes bei der Eroerterung theologischer Streitfragen und der gemeinsamen Exegese heiliger Texte ging es auf den Hoehen von Bendorf erstaunlich unverkrampft und froehlich zu. Schon beim brillianten Eroeffnungsvortrag von Rabbiner Jonathan Magonet durfte gelacht werden. Der Direktor des Leo-Baeck-Colleges fuer Juedische Studien und Vizepraesident der Weltunion fuer progressiven Judaismus schlug eine interreligioese vegetarische Speisekarte vor, damit einer dem andern nicht von vornherein den Appetit verderbe. Die Zumutungen an die Toleranzbereitschaft zumindest orthodoxer Diskutanten waren trotz des versoehnlichen Auftraktes betraechtlich, etwa als sich die Londoner Rabbinerin Sheila Shulman nicht nur als Feministin, sondern auch noch als Lesbe outete und ausgerechnet Robin Hood zu ihrem Lehrmeister auf dem mystischen Pfad durch die Irrgaerten der Theologie erkor. Doch Empoerung konnte gar nicht erst aufkommen. Sie prallte gleichsam ab am entwaffnenden Laecheln ihrer katholischen Kontrahentin, Schwester Katherine E. Wolff. Die streitbare Ordensfrau aus der Kongregation Unserer Lieben Frau von Zion, die als Kind deutsch-juedischer Eltern in Oklahoma aufwuchs und seit sechs Jahren am Christlichen Institut fuer Juedische Studien in Jerusalem arbeitet, gehoert zweifellos zu den inspirierendsten Gestalten des juedich-christlich-islamischen Trialoges. Trotz ihrer visionaeren Hoehenfluege enthielt ihr Referat zugleich handfeste politische Aussagen. Sie bekraeftigte die Positionen des Vatikans zum kuenftigen Status von Jerusalem. Die "Staette des Friedens" sollte zur freien Stadt fuer alle drei monotheistischen Religionen werden, zu einer spirituellen Metropole, deren Tore fuer Pilger und Glaeubige gleich welcher Herkunft geoeffnet sind. In ihren kuehnen Zukunftsbildern von der Einheit in der Vielfalt des Glaubens konnte sich Schwester Katherine mehrfach explizit auf den amtierenden Papst berufen. Der habe sich zumindest in dieser Frage weiter bewegt als alle Paepste der vergangenen fuenfhundert Jahre zusammen. Den symboltraechtigen Bruderkuss des Papstes mit dem iranischen Staatspraesidenten Khatami nannte sie in diesem Zusammenhang "fast ein Wunder".

Die Referenten und Diskutanten in Bendorf kamen sicher nicht aus der orthodoxen Mitte ihrer Religionsgemeinschaften, sondern eher aus den liberaleren Randbezirken, ohne deswegen Randfiguren zu sein. Das gilt ausgepraegt auch fuer die islamische Seite. Die Imamin vom Islamischen Zentrum in Hamburg, Halima Krausen, und der Vorsitzende der Deutschen Muslim-Liga Bonn, Scheich Baschir Ahmad Dultz, zeigten sich nicht nur ungewohnt selbstkritisch und sensibel auch bei der Beantwortung peinlicher Fragen. Sie legten sogar Zeugnis ab von einem Talent, das gemeinhin nur den Juden zugeschrieben wird: Der Faehigkeit, ueber sich selbst zu lachen. Und sie priesen ihrerseits den Mut Khatamis, mit dem hoechsten Repraesentanten der Christenheit den Wangenkuss zu wechseln, mit dem sich die islamischen Wuerdentraeger sonst nur unter sich begruessen.

Das Bendorfer Programm beschraenkte sich nicht auf den theologischen Diskurs. Es wurde meditiert und rezitiert. Bibliodramen vom Berg Sinai wurden inszeniert, Musik der islamischen Mystik wurde auf altorientalischen Instrumenten zum Klingen gebracht. Eine Klasse der Bonner Koenig-Fahd-Akademie fuehrte einen arabischen Schwertertanz vor, die tuerkische Saengerin Sevda Inik sang turkmenische Liebeslieder. Eine musikalische Arbeitsgruppe komponierte einen Hymnus "Schalom-Salam" zum gemeinsamen Gebrauch in allen Gottesdiensten. Ein kalligraphischer Zirkel befasste sich mit der kuenstlerischen Gestaltung hebraeischer und arabischer Schriftzeichen.

Am Schwarzen Brett waren die jeweiligen Gebetszeiten zu lesen: "Das muslimische Morgengebet beginnt um 5.28 Uhr, das juedische Fruehgebet um 7.30 Uhr, die Christen beten ... immerzu." Zum Abschluss der Wohlfuehlwoche in Abrahams Schoss sah man den interreligioesen Kongress sogar tanzen. Angefeuert von der Hausherrin Ute Stamm, der umtriebigen Leiterin des Hedwig-Dransfeld-Hauses, und vom Vorsitzenden der Christlich-Islamischen Gesellschaft (CIG), Klaus Schuenemann, kannten die temperamentvollen Rabbinerinnen vom Leo-Baeck-College und die verschleierten Theologiestudentinnen vom Islamischen Institut in Birmingham keine Hemmungen, evangelische Pfarrer, katholische Priester und juedische Gelehrte zum Rundtanz aufzufordern. Ein ausdruecklicher Glueckwunsch ging von Bendorf aus an den israelischen Dirigenten Daniel Barenboim. Er wird im Rahmen des Weimarer Goethe-Sommers ein "Westoestliches Diwanorchester" zusammenstellen, in dem juedische, christliche und muslimische Nachwuchskuenstler zusammen fuer Frieden, Toleranz und Verstaendigung musizieren wollen.



Deutsche Muslim-Liga Bonn e.V. - 1422 / 2001